Kommunen in Finanznot

22. Oktober 2025: Die Landkreise in Bayern und Baden-Württemberg sind finanziell am Limit.
Kommunen in Finanznot

Baden-württembergische und bayerische Landkreise fordern vom Bund rasche Finanzhilfen 

Bayerischer Landkreistagspräsident Karmasin: „Landkreise brauchen eine solide finanzielle Basis und Planungssicherheit, um Zukunft gestalten zu können“ 

Deutscher und baden-württembergischer Landkreistagspräsident Dr. Brötel: „Zugleich müssen wir bei der Neuausrichtung des Sozialstaats endlich weiterkommen“ 

„Das Finanzloch der Kommunen wird immer größer. Auch die Landkreise in Baden-Württemberg und Bayern wissen nicht mehr ein noch aus. So sehen sie sich beispielsweise schon jetzt gezwungen, den öffentlichen Nahverkehr zurückzufahren, obwohl sie ihn über Jahre hinweg im Sinne des Klimaschutzes bewusst gestärkt haben. Dies ist komplett widersinnig. Zwar erkennen die Länder zunehmend das Ausmaß der kommunalen Finanznot an, doch ist vielerorts noch völlig offen, wie die dringend notwendige finanzielle Entlastung konkret aussehen wird. Die entscheidenden Gespräche mit dem Freistaat Bayern stehen dort noch aus. Es braucht jetzt kurzfristig, ohne weiteres Zögern, eine entschiedene und nachhaltige Stabilisierung der Kommunalfinanzen. Dazu gehört die Verdreifachung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer ebenso wie die Rückkehr zur vollständigen Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten für die SGB II-Bedarfsgemeinschaften mit Fluchthintergrund. Andernfalls wird ein Landkreis nach dem anderen in die finanzielle Handlungsunfähigkeit abrutschen – mit drastischen Konsequenzen für die kommunale Daseinsvorsorge, den sozialen Zusammenhalt und die Akzeptanz unseres demokratischen Gemeinwesens“, betonten der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Landrat Dr. Achim Brötel (Neckar-Odenwald-Kreis), und der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (Landkreis Fürstenfeldbruck) aus Anlass einer gemeinsamen Sitzung der Präsidien beider Landkreistage am 22. Oktober 2025 in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis).

Präsident Karmasin, der zugleich Vizepräsident des Deutschen Landkreistags ist, betonte, dass die Landkreise inzwischen an ihre Belastungsgrenzen stoßen: „Die Landkreise sind das Rückgrat unseres Gemeinwesens. Sie sichern soziale Daseinsvorsorge, Mobilität, Bildung und medizinische Versorgung vor Ort. Dafür brauchen sie eine solide finanzielle Basis und Planungssicherheit. Nur so können sie Zukunft gestalten und Verantwortung übernehmen. Doch die Kreishaushalte stehen unter massivem Druck. Die Ausgaben steigen in nahezu allen Bereichen – von der Sozial- und Jugendhilfe über die Personalkosten bis hin zu Defizitausgleichen bei Krankenhäusern und im öffentlichen Nahverkehr. Gleichzeitig bricht vielen Landkreisen die Einnahmebasis weg. Der durchschnittliche Kreisumlagesatz liegt inzwischen vielerorts über 50 Prozent. Das zeigt: Den Landkreisen bleiben kaum noch eigene Gestaltungsspielräume.“ 

Präsident Dr. Brötel, der zugleich Präsident des Deutschen Landkreistags ist, erklärte ferner: „Allerdings erwarten wir vom Bund nicht nur zusätzliche Finanzmittel. Denn uns ist durchaus klar, dass die öffentlichen Gelder endlich sind. Umso wichtiger ist es, bei der Neuausrichtung des Sozialstaats weiterzukommen. Eben weil wir zum Sozialstaat stehen, drängen wir darauf, dass er zukunftsfest aufgestellt wird. Dabei geht es um Vereinfachung im Sinne von mehr Pauschalierung statt überbordender Einzelfallgerechtigkeit, um konsequente Digitalisierung anstelle von Formularwust. Zur Ehrlichkeit gehört aber auch: Allein dadurch wird es nicht gelingen, die Ausgabendynamik im Sozialbereich zu brechen. Entscheidend ist daher auch, Sozialleistungen auf bedürftige Menschen zu konzentrieren. Bürger mit vergleichsweise hohen Einkommen oder Vermögen sollten nicht in den Genuss steuerfinanzierter Sozialleistungen etwa im Bereich des Elterngelds oder des Angehörigenunterhalts kommen können. Eigenverantwortung muss unbedingt wieder einen höheren Stellenwert erhalten.“ 

Die Landkreise fordern daher vom Bund und den Ländern eine faire und aufgabengerechte Finanzierung: 

  • „Wer anschafft, der zahlt“ – neue gesetzliche Leistungen des Bundes müssen vollständig gegenfinanziert werden.
  • Eine Sozialstaatsreform, die Standards überprüft und die kommunale Finanzierbarkeit sicherstellt.
  • Verdreifachung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer und Rückkehr zur vollständigen Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten für die SGB II-Bedarfsgemeinschaften mit Fluchthintergrund. 

Beide Landkreistagspräsidenten machten deutlich, dass ohne entschlossenes Handeln die kommunale Handlungsfähigkeit ernsthaft gefährdet ist: „Die Landkreise übernehmen tagtäglich Verantwortung für die Menschen vor Ort – von der Jugendhilfe bis zur Daseinsvorsorge. Wenn die Finanzierungsgrundlagen weiter erodieren, stehen zentrale Leistungen des Staates auf dem Spiel. Der Bund muss jetzt handeln – nicht irgendwann.“